- Entwicklungsprozess
- Stärken und Schwächen
- Mein Designverständnis
- Pareto-Prinzip
- Streben nach dem Nichts
Entwicklungsprozess
Briefing
„… und wie viele Elektrische Eierkocher haben Sie schon entwickelt?“ meinte mal ein Elektrischer-Eierkocher-Fabrikant. Ähh – tja, bislang noch keinen. Genau darin liegt aber das Potential eines externen Designers: Ein Produkt mal aus der Entfernung zu betrachten und so manche durch Betriebsblindheit und Gewohnheit eingefahrenen Prozesse zu hinterfragen.
Oft kann man durch Querverbindungen aus anderen Projekten neue Materialien und Fertigungsprozesse einbringen, die das Produkt wesentlich verbessern oder die Kosten optimieren.
Dass man sich bei jedem neuen Projekt intensiv in die Materie einlesen muss, liegt auf der Hand. Und auch wenn man nicht bei jedem Projekt gleich Snowboarden lernen muss wie bei der Entwicklung der Snowboard-Bindung für FLOW: Das Arbeiten und Leben mit dem Produkt ist ein wesentlicher Faktor zum Verstehen der Anwenderbedürfnisse.
Und natürlich: Zuhören, zuhören, zuhören. Den Leuten vom Vertrieb, den Monteuren im Feld, den Verpackern in der Produktion.
Vor allem aber den Käufern und Anwendern.
Da erfährt man oft Anforderungen, die in keinem Pflichtenheft stehen.
Skizzenphase
Ich halte nicht viel davon, Entwürfe auf Basis von –auch noch so schönen- Bildern zu bewerten. Zu viele meiner Kunden konnten Lieder davon singen, dass Designer wunderschöne Skizzen geliefert hatten, die Umsetzung aber mehr oder weniger unmöglich war.
Designskizzen dienen mir nur zur ersten persönlichen Ideenfindung, meine Kunden bekommen sie eher selten zu Gesicht.
Denn ich lege größten Wert darauf, dass jede Idee, die ich präsentiere, auch genau so produzierbar ist.
Und dazu braucht es solidere Grundlagen.
Dreidimensionale Entwicklung
Produktdesign ist ein dreidimensionaler, sinnlicher Prozess.
Mit „sinnlich“ meine ich: Ich möchte Formen nicht bloß auf dem Papier oder Bildschirm sehen, sondern fühlen, drehen, begreifen.
Und darum laufen meine Entwicklungsprozesse primär über den guten, klassischen Modellbau:
Nach einer eher kurzen Skizzenphase stehe ich meist sehr schnell in der Werkstatt, um Grundformen zu finden, Proportionen zu optimieren und funktionale Lösungen zu überprüfen.
Aus vorerst einfachen Schaum-Modellen entstehen nach und nach präzise, liebevoll detaillierte Designmodelle, die eine hervorragende Entscheidungsbasis sind.
Gerade bei Produkten, die im 1:1 Maßstab darstellbar sind, kann Handhabung und Ergonomie optimal bewertet und weiterentwickelt werden.
Präsentationen
Ganz egal, ob formlos am Kaffeehaustisch oder vor versammeltem Vorstand: Ich lege ausnahmslos Wert auf höchste Präsentationsqualität.
Erstens: Designpräsentationen dürfen Spaß machen!
Zweitens: Ich möchte, dass meine Kunden verstehen, warum das Design genau so aussieht und nicht anders. Darum baue ich meine Gedankengänge Schritt für Schritt auf und führe konsequent zum logischen Endergebnis. Das ist meistens ziemlich spannend!
Drittens: Fundierte Entscheidungsgrundlagen! Neben –im wahrsten Wortsinne- begreifbaren Modellen zeige ich den Produktaufbau als Vorkonstruktion, im Idealfall bereits hinterfüttert mit einem Kostenrahmen.
CAD
Das ist Stefan Rochhart. Einer der begnadetsten Konstrukteure, die ich kenne und seit vielen Jahren mein kongenialer Partner im CAD.
Auch wenn er manchmal komische Sachen sagt wie „Finite Elemente-Analyse“ oder „Kernrückzugswerkzeug“: Wir sprechen eine Sprache.
Denn er weiß, dass meine Designkonzepte niemals unentformbare Hinterschnitte haben und ich weiß, dass seine Konstruktionen fertigungstechnisch brillant durchdacht sind. Und somit unserem Kunden eine problemlose Produktion garantieren.
Neben diesem „Full-Service“ gibt es natürlich auch viele Kunden, die eigene CAD-Kompetenz im Haus haben. Umso besser! Wichtig ist mir nur, dass ich in den Prozess eingebunden bleibe, um das Design wohlbehalten durch die Anforderungen der Konstruktion zu bringen.
Dabei ist Kompromissfähigkeit eine wichtige Charaktereigenschaft: Die Grundidee verteidige ich meist mit Zähnen und Klauen, bei manchen Details wiederum ist ein gewisser Pragmatismus zielführender.
Realisierung
In der Realisierungsphase zeigt sich die Qualität eines Designkonzeptes. Wenn eine Idee nach Rapid Prototyping, Werkzeugkonstruktion und Erstbemusterung immer noch begeistert, dann bin ich zufrieden. Und mindestens so lange fühle ich mich auch verantwortlich.
Und auch wenn ein Vater seine Kinder irgendwann ins Leben entlässt, so ist es das Schönste im Leben eines Designers, sie hie und da wiederzusehen:
Wie etwa den Wiener Zucker Streuer, der mir nach über einem Jahrzehnt und vielen Millionen verkauften Stück immer noch aus dem Supermarktregal entgegenlacht.
Stärken und Schwächen
Ja, auch über die möchte ich hier sprechen. Zumindest über die beruflichen.
Aber der Begriff „Schwächen“ ist eigentlich schon falsch: Vielleicht sollte man von Schwerpunkten sprechen, denn wie jedem Designer liegt mir das eine weniger, das andere dafür umso mehr.
Designer haben ja manchmal den Ruf, künstlerisch abgehoben zu sein. Nun, das bin ich definitiv nicht. Im Gegenteil, ich würde mich als geerdet bezeichnen. Und viel mehr als Handwerker denn als Künstler.
Projekte mit zu vielen formalen Freiheiten sind nicht mein Ding. Als Schmuck- und Modedesigner wäre ich eine Niete. Und auch der dreihundertfünfundvierzigste Beitrag zum Thema „Designersofa“ entlockt mir nur ein Gähnen.
Wenn es aber darum geht, zwischen engen wirtschaftlichen und fertigungstechnischen Parametern eine geniale Funktion und eine spannende Form zu finden, dann wird es für mich richtig interessant.
Denn neben der optischen und der funktionalen Qualität eines Entwurfes geht es für mich von Anfang an um Wirtschaftlichkeit. Es ist nicht schwer, mit großem Fertigungsaufwand ein tolles Produkt zu schaffen. Die ewige Faszination liegt darin, mit möglichst wenigen und einfachen Teilen auszukommen. Und das ist ein wesentlich höherer Anspruch: Etwas Einfaches zu machen ist am schwierigsten.
Der Großteil meiner Kunden möchte nicht im Museum of Modern Art enden, sondern nur eines: Mit einem hervorragenden Produkt seinen Markt begeistern und damit Geld verdienen.
Und oft geht es mir so, dass ein Design dem Außenstehenden recht banal vorkommt, weil er die Hintergründe nicht kennt. Aber der Auftraggeber ist begeistert, weil es exakt auf seine Fertigungsmöglichkeiten zugeschnitten ist und genau seinen speziellen Markterfordernissen entspricht.
Das reizt mich einfach mehr als Produkte, die jedem Durchschnittsbürger ein „Ahhhh!“ entlocken.
Mein Designverständnis
Die drei Grundregeln für Zeitloses Design
In meinem Büro steht eine Beomaster von Bang&Olufsen aus dem Jahr 1977(!). Sie ist fast so alt wie ich, nur wesentlich besser erhalten.
Sie erinnert mich täglich daran, was wirklich gutes Industriedesign ist. Ich meine: Die Beomaster ist nicht nur gut, sie verbläst nach wie vor alles, was in den letzten vierzig Jahren an mehr oder weniger zweifelhaften formalen Experimenten entstanden ist.
Was macht eine solche Zeitlosigkeit aus? Drei Punkte:
1 Eine ganz einfache, klare Grundidee.
Ich finde, ein Produkt sollte immer auf einer, zumindest auf ganz wenigen Grundformen basieren. Und auch wenn dann zwangsläufig funktionale Einschnitte, Bedienelemente etc. dazukommen: Die Grundidee möchte ich bis zuletzt durchspüren. Bei der Beomaster lautet diese Idee: Ein flaches, zum Benutzer geneigtes Trapez. Und das extrudieren wir zu dieser unglaublichen Längenproportion.
Sonst nichts.
Vor solcher Konsequenz ziehe ich meinen Hut.
2 Reduktion, Reduktion, Reduktion.
Erst, wenn man nichts mehr weglassen kann, ist ein Design am Punkt. Unmotiviertes „Styling“ ohne funktionale Begründung ist mir ein Gräuel.
Was mag den Designer dieser Waschmaschine zu der lustigen Welle im Bedienpanel bewogen haben? Die Assoziation zu „Wasser“ wäre noch die naheliegenste Erklärung. Aber es gibt keinen funktionalen Grund. Der Werkzeugbau wird verteuert und das Design hat ein Ablaufdatum.
Die andere Maschine habe ich im Jahr 1996 (!) für Eudora entworfen. Eudora – Waschmaschinen hatten den berechtigten Ruf, zwanzig Jahre und länger zu halten. Und auch wenn diese traditionsreiche österreichische Marke längst in internationalen Konzernen aufgegangen ist: Das zeitlose Design überzeugt mich noch heute.
Die sanft gewölbte, vom Gehäuse deutlich abgesetzte Frontplatte knickt über der Tür leicht aus und bildet Eingriffe für Bedienungs- und Waschmittellade. Glas, Türrahmen und Gehäuse bilden eine konsequent flächenbündige, konkave Mulde.
3 Geradlinigkeit
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Auch ein Bogen oder eine Freiformfläche kann geradlinig sein. Besonders dort, wo der menschliche Körper als Schnittfläche ins Spiel kommt, sind weiche, fließende Formen angebracht: Einen Schischuh kann ich nicht mit dem Lineal konstruieren.
Aber ein Werkzeug darf ein Werkzeug bleiben und sollte sich nicht in falsch verstandenem Ergonomiestreben dem menschlichen Körper anbiedern.
Ein schlechtes Beispiel dafür sind die sogenannten „ergonomischen“ Computermäuse. Ich kenne den Designprozess: Man nehme einen Lehmbatzen in die Hand und klatsche ihn auf den Tisch. Gibt es eine perfektere Form? Jeder Finger hat seinen zugewiesenen Platz! Ja, solange jeder Mensch auf diesem Globus die Normhand US-PCFT-56 hat. Und wehe, man möchte die Maus vielleicht mal eine Nuance anders halten als vorgeschrieben, weil schon die Finger ermüden.
Apple liefert uns hingegen ein Präzisionswerkzeug, das der Feinmotorik der Hand genügend Freiraum lässt.
Erst die relativ scharfe, umlaufende Kante gibt den Fingern die erforderliche präzise Rückmeldung über die Ausrichtung des Objektes im Raum. Und trotzdem wird sich niemand an dieser Kante die Pulsadern aufschneiden.
Apropos: Erkennen Sie die geradlinige Grundidee dahinter?
Und jetzt kennen Sie auch meine beiden großen Vorbilder.
Das Pareto-Prinzip
Die Perfektion der Effizienz
Kennen Sie das Pareto – Prinzip?
Also, ich liebe es.
Man nennt es auch 80-zu-20-Regel.
Es besagt, dass 80 % der Ergebnisse in 20 % der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse verursachen die meiste Arbeit.
Man findet dieses Prinzip überall: In der Informatik, in der Wirtschaft, in der Natur:
80% des Laubes im Garten kann ich mit 20% Einsatz aufsammeln. Die restlichen 20% der Blätter, die sich unter Sträuchern verstecken, würden überproportionalen Aufwand bedeuten. Drum lass ich sie liegen. Es sieht trotzdem ordentlich aus!
Und selbstverständlich gilt der gute Pareto auch für die Produktentwicklung:
Man muss wissen, wann es genug ist.
Klar, man könnte detailverliebt jeder kleinsten Nuance nachrennen. Allein: Es wird nicht honoriert. Weder von meinem Auftraggeber, noch von dessen Markt.
Früher fand ich Perfektion ein erstrebenswertes Ziel.
Heute bin ich pragmatischer und weiß: Das Pareto-Prinzip ist wesentlich schlauer. Weil ökonomischer.
Es ermöglicht vernünftige Preise für erstklassige Produkte.
Und eine gesunde Gelassenheit im Leben.
Das Streben nach dem Nichts.
Design ist die Suche nach immer weniger
Nein, hier geht es nicht um das hohe buddhistische Ziel, im Nirwana die absolute Leere zu erfahren. Auch nicht unbedingt um Erleuchtung, sehr wohl aber um Erkenntnis:
Nämlich die, dass jede Technologie die immer gleiche Evolution durchläuft:
Vom Primitiven über das Komplexe hin zum Einfachen.
Ein Beispiel gefällig?
Betrachten wir die Geschichte der Musikwiedergabe: Als sich in den Dreißigern die Familie um den Volksempfänger scharte, konnte sie an gezählten 4 Knöpfen drehen, um den drei Röhren im Inneren ein charmantes Rauschen abzugewinnen.
In den fortschrittsgläubigen Achzigern war ein zumindest fünfstöckiger Hifi-Tower im Wohnzimmer Standard: Über 150 Tasten, Dreh- und Schieberegler sowie fiebrig zitternde Wellengrafiken machten dem letzten Zweifler klar, dass sich die Technik endgültig über den Menschen erhoben hatte. Das ging soweit, dass manche Tasten gar keine Funktion mehr hatten, sondern einzig dem Komplexitäts-Kult geschuldet waren.
In Spitzenzeiten tummelten sich 3 (!) Wiedergabemedien, nämlich Platte, Kassettendeck und CD Player auf einem Gerät.
Und heute? Mit dem SmartPhone haben wir eine winzige BlackBox (fast) ganz ohne Tasten, die mehr kann, als sich alle Science-Fiction Autoren je hätten träumen lassen.
Der formale Kreis hat sich übrigens schon beim iPod geschlossen: Walter Maria Kersting, der Designer des Volksempfängers und Steve Jobs werden sich im Jenseits vielleicht gegenseitig zu ihrem gelungenen Design gratulieren. Und wir wollen hoffen, dass dabei keine Plagiats-Vorwürfe fallen.
Eine Technologie hat erst dann ihre Vollkommenheit erreicht, wenn sie auf die reine Funktion reduziert ist.
So leid es mir tut: Die Autos, die wir heute als technologische Wunderwerke preisen, sind bestenfalls in der pubertären „Hifi-Turm-Phase“. Die gleiche Feature-Geilheit! ABS, ASR, ESP, EDS, beheizbare Außenspiegel, HeadUpDisplay, Light Assist… Mit dem Ergebnis, dass eineinhalb Tonnen Technik nötig sind, um 70 Kilo Mensch zu befördern.
Wie das Auto der fernen Zukunft aussehen wird, kann ich genauso wenig beantworten, wie ein Techniker des Röhrenzeitaltes die Funktionen eines Smartphones beschreiben hätte können. Sicher ist nur: Es wird weniger werden, sich asymptotisch dem Nichts nähern. Seiner reinen Funktion. Und die lautet nun mal: Mensch von hier nach da bewegen.
Vielleicht prangt das Audi-Logo ja mal auf einem Materietransmitter, den man am Handgelenk trägt?
Design ist die Suche nach immer weniger.
Mich faszinieren Produkte, die es durch Hochtechnologie geschafft haben, mit weniger auszukommen: In meiner Hand halte ich eine Computermaus ohne Kabel und Scrollrad. In einem Jahr hätte ich gern einen Bildschirm, der nur mehr eine Folie ist. Und in drei Jahren gar keinen Bildschirm mehr, weil irgendetwas ein 3d Hologramm vor meinen Augen erzeugt.
Das Thema „Bildschirm“ hat das Ziel erreicht: Nichts mehr da.
Zugegeben: Im Alltag der Produktentwicklung schlägt man sich meist doch noch mit handfester Materie herum. Trotzdem spiele ich in Gedanken immer durch, wie das Produkt aussehen könnte, wenn es bis zur letzten Konsequenz auf seine Funktion reduziert wäre.
Wie zum Beispiel ein Tor: Seine pure Funktion ist es, eine Trennung von „innen“ und „außen“ zu schaffen. In ferner Zukunft könnte das eine Art Kraftfeld sein, das verhindert, dass Atome von einer Seite auf die andere wechseln…
Bis es soweit ist, kommt das Tor „Veritas“ dem Ziel der absoluten Reduktion zumindest sehr nahe:
Ein intelligentes Aluminiumprofil, eine selbsttragende Glasplatte, und sonst – genau: Nichts.